Eine magische Welt voller Geheimnissen und Gefahren!
Das Gesäusel
„Es heißt, dass es einst eine prächtige Landschaft war.
Die Berge reichten bis zu dem Heim der Götter und diese
schauten voller Wonne auf die Leute des Landes. Alles
Land war fruchtbar, die Täler standen voll üppiger
Früchte und niemand darbte je an Hunger und Durst. Der
Reichtum an Früchten, die güldenen Äcker, das
mastreiche Vieh gewährte den Leuten vorzüglichsten
Wohlstand, genauso wie die vielen Goldadern, die sich
durch das Gebirge zogen und für großartigste
Farbspektakel sorgten, sobald die Sonne schien – und sie
schien gerne im Wechsel mit fruchtbarem Landregen.“
Er zeigte auf die Flammen, die ausgelassen umeinander
tanzten und mit ein wenig Vorstellungskraft aussahen
wie flüssiges Gold.
„Die Sonne stand länger am Himmel als an anderen
Orten und die Menschen dort lebten glücklich und in
Frieden. Sie erfreuten sich an der Schönheit des Landes
und nahmen ihm niemals mehr, als sie für das Leben
brauchten.“
Seine Stimme wurde tiefer und sein Gesicht nahm einen
wehmütigen Ausdruck an. Knisternd barst ein Ast und
ein Funkenregen stob gen Himmel, als wäre das Unheil
bereits angerichtet.
„Doch irgendwann wurde das Bergvolk gierig. Die
Bergleute fragten sich, warum sie das Gold und die vielen
kostbaren Erze nicht abbauen sollten – und verhütten
und schmieden. So bauten sie mehr und mehr von dem
kostbaren Gestein ab. Sie vernachlässigten die Felder in
den Tälern und wurden faul und fett. Bald schon ließen
sie andere für sich arbeiten, die Arbeiter aber lebten in
Armut und Angst. Sie verunzierten in ihrer Gier das
Gebirge und entweihten heilige Orte, um an noch mehr
Gold und Eisen, Feuerstein und Bittersalz zu kommen. Als
dies die Götter bemerkten, waren sie außer sich vor
Zorn.“
Joop gestikulierte wild, um dem Zorn der Götter
Ausdruck zu verleihen.
„Die warnten die Leute des Berges und wollten sie wieder
zu einem Leben in Eintracht mit dem Land bewegen. Sie
füllten das Gebirge wieder auf mit den wertvollen Erzen.
Aber die Bergbewohner dachten gar nicht daran, in ihr
altes, gutes, geruhsames Leben zurückzukehren und
bauten mehr denn je ab, schlugen gar Holz aus heiligen
Hainen, um das Eisen zu schmelzen oder ihre Löcher im
Berg zu stützen. Die Götter werden uns immer wieder mit
neuem Wohlstand versorgen, höhnten sie. Doch als das
letzte Erz geschürft war, wurde das Gestein schwarz vor
Zorn, scharfkantig und richtete sich gegen seine
Schänder. Die Götter schlugen in ihrer Wut mit
unvorstellbarer Kraft auf das Land und stellten es auf
den Kopf. Sie belegten die Leute der Berge mit einem
Fluch, dass diese das Gebirge nicht mehr verlassen
sollten und ließen den Wind frei.“
Joop klatschte laut in die Hand.
„Dieser zog nun heulend durch das Gebirge und pfiff
durch die vielen Spalten, die durch das Schürfen
entstanden waren. Da erkannten die Einwohner ihren
Fehler und baten um Vergebung, aber die wurde ihnen
nicht gewährt. Stattdessen schickte einer der Götter
seinen Sohn in das Land. Das Bergvolk lebt nun im
ständigen Versuch, die Windgeister zu besänftigen, für
die sie Glocken im ganzen Gebirge aufgehängt hatten.
Deswegen heißt das Gebirge nun Gesäusel, da der Wind
pfeift und mit den Glocken den Unwürdigen den Verstand
raubt. Die Bergleute hoffen, irgendwann für ihre Fehler
gebüßt zu haben und das Gesäusel verlassen zu dürfen
oder es zu seinem alten Wohlstand zurückzuführen. Vor
allem aber hofften sie, diesem Sohn des Gottes nicht zu
begegnen, um ihn nicht herauszufordern. Denn der sollte
jeden der Bergleute und jeden Reisenden prüfen, ob er
würdig sei, das Gebirge wieder zu verlassen. Es heißt,
dieser Gott, der nun in dem Gebirge wandelt, ist klein
aber von kräftiger Statur. Nur ein graues Fell bedeckt
seinen Körper und er sieht dem Bergvolk ähnlich, mit
seinem groben Gesicht und seinen krummen muskulösen
Beinen. Als Waffe trägt er einen knorrigen Stab, doppelt
so groß wie er selbst. Er beäugt jeden Wanderer, prüft
seinen Willen und wenn jemand auf Pfaden wandelt, der
ihm missfällt, greift er an und nur ein starker Gegner
kann das Gebirge wieder verlassen. So soll das Gesäusel
entstanden sein“, endete der Bauer ein wenig verlegen,
ob seiner langen Erzählung. Aber seine Augen leuchteten
und zeigten, dass er die Geschichte mochte.
Ausschnitt aus dem ersten Band von Araga.
Geheime Orte im Gesäusel:
Der See von Königin Arkadien
Die dreizehnte Tür
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